pacific aspects
Beschreibung
pacific aspects ist der fünfte Teil der Projekt-Reihe performaps, die in Hybridformen aus Performance, Konzert und Installation die Möglichkeiten einer zeitbasierten künstlerischen Kartographie auslotet.
pacific aspects nimmt den Verlust des praktischen navigatorischen Wissens, das in den hölzernen Gitterstrukturen mikronesischer Stabkarten aufgehoben ist, zum Anlass, aus verborgenen und verschwiegenen pazifischen Aspekten die Koordinaten einer performativen Karte des Weltmeers zu skizzieren. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Atollen der Marshallinseln, zwischen denen diese Karten als traditionelles Navigationsmittel Verwendung fanden: Aufgrund des steigendenden Meeresspiegels ist ihre Existenz faktisch akut bedroht.
Umgeben von einem frei begehbaren multiperspektivischen Videoprojektionsraum aus grobmaschigen Kokosnetzen und fein gewobenen baumwollenen „Segeln“ rekonstruieren zwei Performer*innen die kolonialen Motive der fragwürdigen Benennung des Meers vor mehr als 500 Jahren durch Ferdiand Magellan und wundern sich, warum der Seefahrer die Marshallinseln bei deren Durchquerung nicht bemerkte. Sie kartieren den gigantischen pazifischen Plastikmüllstrudel, der als Mikroplastik zwischenzeitlich durch unsere Körper zirkuliert, aber auch die Verbreitungsgebiete flugunfähiger Seevögel, für deren Ausrottung die Ornithologie zumindest mit verantwortlich zeichnet. Sie erzählen, warum amerikanische Atombombenversuche auf dem Bikini-Atoll dem gleichnamigen Badekleid zu einem durchschlagenden Erfolg verhalfen und warum eine Betonruine voller Plutonium-verstrahltem Abfall auf der Runit-Insel die untergehenden Atolle weithin überragt. In kurzen etymologischen Exkursen enthüllen sie gespenstische Bezüge zwischen einigen marshallesischen Inselnamen und den Katastrophen, die die Atolle zerstören; in einem ausführlichen Bildervortrag gehen sie auf die Besonderheiten mikronesischer Stabkarten und die Praxis der „blinden“ Wellennavigation ein, die sich selbst als ein bemerkenswertes Konzept performativer Kartographie verstehen läßt ...
Unterdessen navigieren zwei Musikerinnen zu einem 6-kanaligen Soundscape durch Jörg Laues eineinhalbstündige kartographische Komposition pacific aspects für Violine und Cello. Während das ineinander verwobene graphische Material der instrumentalen Stimmen die Gitterstrukturen von vier Stabkarten sowie die geographischen Konturen jener Atolle nutzt, die mit Hilfe ebendieser Karten zu erreichen waren, ist das grollend-dröhnende, knisternd-kratzende und feedbackartig-pfeifende Soundscape aus klangelektronischen Bearbeitungen maritimer Geräusche des riesigen pazifischen Areals entstanden. Aus dieser bewegten Klanglandschaft – phasenweise erscheint sie durch synthetisch generierte Wellenüberlagerungen und -brechungen beruhigt – tauchen live empfangene radiophone Störgeräusche des Umgebungsraums, aber auch das Adagio der Sonate für Solovioline, g-moll, von J. S. Bach kurzzeitig wie vertraute musikalische Inseln auf ...