KOMMA (Der Winter.)
Scheinschlag, 25/1996
So funktioniert sie, die DDR
Zunächst bestach "Komma (Der Winter)" von LOSE COMBO durch den in Blei gegossenen Theatervorhang, der die mit glänzender Schlacke bedeckte Bühne halbierte. Das Publikum der einen Seite nahm vor der Wand zwei bleiummantelte Performerinnen wahr, die andere Hälfte mußte sich mit der Kehrseite und zwei Violinistinnen zufrieden geben. Sphärische Musik, den Kopf ohne Halt durchrauschende Hölderlinworte und die mal gold glänzende, mal alles Licht schluckende Kulisse kreierten eine zauberhafte Atmosphäre. Leider reichten die ästhetischen Einfälle nur für eine halbe Stunde. Ungebunden schweiften nun die Gedanken im Raum umher, prallten von der Mauer zurück und verhakten sich zum angedeuteten Knäuel. Gehe ich zur Trennungslinie und werfe einen Blick nach "drüben"? Aber vielleicht werde ich enttäuscht, habe dann alles gesehen und keinen Grund, dieser Vorstellung weiter beizuwohnen. Lieber hierbleiben! Aber wenn dort nun "der Schlüssel" zum Ganzen liegt? Meine Nachbarin erlöst mich. Sie umgeht das Hindernis, kehrt unbehelligt zurück und berichtet über die von ferne umschwärmte Landschaft. Nichts sei dort los, nur Dunkelheit, die Performerinnen stumm und bewegungslos vom giftigen Blei umgeben. Hier auszuharren, war also richtig. Ich kann mir ja vorstellen, daß es drüben viel aufregender ist, ungeprüft verbleibt es das paradiesische Pendant. Gern jedoch empfange ich den Reisenden, daß er mir von den Makeln der anderen Seite berichte und mein Hiersein unterstütze. Wohlig rekelte ich mich auf meinem Sitz. Ja, so war es! Dialektik pur.
Tom Mustroph