HERTZ' FREQUENZEN

wortgestoeber.de, 29.09.2005

Hommage an Hertz

Die Berliner Künstlergruppe "Lose Combo" spürt Heinrich Hertz nach - dem Entdecker elektromagnetischer Wellen. Beim installierten Wellenreisen ist auch John Cage mit von der Partie. Das klassizistische Ambiente des Podewil'schen Palais ist eine gute Wahl für das neueste Projekt der Berliner Künstlergruppe "Lose Combo": einer audio-visuellen Installation, die dem Prozess der Erforschung elektromagnetischer Wellen nachspürt. Die synästhetische Zeitreise führt zurück ins Jahr 1887, als Heinrich Hertz diese bahnbrechende Entdeckung für sich verbuchen und bis heute mit seinem Namen verbinden konnte. Ein Projekt, dass die Gruppe um Jörg Laue in Zusammenarbeit mit TESLA konzipiert und verwirklicht hat.

Frei von Effekthascherei machen die Künstler die Suche des Physikers über 80 Minuten mit einem Geflecht aus Klängen und optischen Transmittern transparent: Zu Beginn drehen einige der Akteure an Radioknöpfen und modulieren Töne und Störgeräusche wie bei einer Sendersuche. Begleitet von Streichern, die sich nahtlos in die auf- und abebbende Soundwellen einfügen. Nur schemenhaft sind die Musiker hinter Stoffbahnen aus Stahlwolle zu erkennen. Sie operieren in einem kubusförmigen Raum im Raum, der in diffuses Licht getaucht ist und den Grundriss von Hertz' Labor nachzeichnet.

Eingeflochten in die Installation ist die Komposition "Radio Music" (1956) von John Cage, der Anfang der Fünfziger Jahre als erster ein Radio als Instrument nutzte. Sirrende elektronische Klänge, Eigenkompositionen und Improvisationen bilden das akustische Spektrum. Die "Lose Combo" wird ihrem Anspruch gerecht, die musikalischen Dimension der elektromagnetischen Wellen erfahrbar zu machen. Im Verbund mit Video-Projektionen und Lichteffekten zeigt sich eine assoziative Ästhetik der Welle.

Das Klang- und Farbenspiel wird immer von Erzählerstimmen unterbrochen, die mal elegisch, mal pointiert aus dem Leben des Physikers berichten. Dabei überlagern sich wissenschaftliche Aspekte und Privates. Durch biografische Zitate werden auch komische Akzente gesetzt, etwa durch Hertz' umständliche Ausdrucksweise in Briefen an seine Frau.

Spannend ist die Annäherung zwischen Besuchern und Künstlern: Hertz' Labor ähnelt in seiner Struktur einer Ohrmuschel, die Stahlwolle fungiert als Membran. In dieser Weise wirkt es als Sinnbild der medialen Grundkonstellation von Sender und Empfänger. Durch einen schmalen Gang lässt sich ein Teil des Labors betreten. Nach und nach trauen sich die Zuschauer hinein, erobern das Terrain und können den Beteiligten über die Schulter schauen. Mit dieser Anordnung hat die "Lose Combo" eine einprägsame ästhetische Form gefunden, die eine Visualisierung physikalischer Abstraktionen ermöglicht.

Lutz Steinbrück