HERTZ' FREQUENZEN

Neues Deutschland, 20.09.2005

Hertz-Brocken
Tesla beginnt Herbstsaison mit Raumexperiment

Der Klang- und Raumexperimentator Jörg Laue hat wieder einmal ein strenges Arrangement entworfen. In den großen Saal des Podewils'schen Palais, neuerdings modisch »Kubus« genannt, ist ein mit Stahlwolle verhangener Quader gesetzt. Hinter dem halbtransparenten Vorhang befinden sich Musiker, Projektionswände und diverse technische Assistenten.

Dem Publikum bleibt ein schmaler Gang rings um den Quader vorbehalten. In seinem Rücken befinden sich zwei ebenfalls mit Stahlwolle verhüllte Nischen, in denen zwei Schauspieler Texte lesen. Sie kreisen zum einen um kompositorische Praktiken von John Cage, zum anderen um den intellektuellen Werdegang den Physikers Heinrich Hertz.

Hertz entdeckte 1887 die elektromagnetischen Wellen, die die Grundlage für Rundfunk, Fernsehen und Mobiltelefonie sind. In den Texten werden Hertz' erste Beschäftigung mit dem »Äther« als Raumvorstellung der Antike und spätere esoterische Versuche der Gedankenübertragung mit einem Studenten mit seiner letztlich bahnbrechenden Entdeckung in einen Zusammenhang gebracht. Cages Komposition »Radio Music« – ein scheinbar willkürliches Zappen durch alle empfangbaren Radiofrequenzen – wird als Versuch des Avantgardisten beschrieben, sich das ärgerliche Rundfunkgedudel einzuverleiben. Dieser Gedankenflug ist durchaus interessant, kommt aber nicht über den Charakter eines Urania-Vortrags hinaus.

Wenn nicht gesprochen wird, erzeugen die Musiker sehr reduzierte Klänge, die den Wellencharakter alles akustisch Wahrnehmbaren betonen. Parallel dazu werden Videoprojektionen gezeigt, die ebenfalls Klangwellen illustrieren. Zu sehen sind diese Videoscreens allerdings nur, wenn man sich zu ihnen begibt. Laue kann sich leider nicht entscheiden, ob er eine begehbare Klanginstallation bauen, ein elektronisches Konzert veranstalten oder einen populärwissenschaftlichen Ausflug unternehmen soll. »Hertz' Frequenzen« zerfällt in diese drei Elemente. Aufgabe des Zuhörers ist es, die einzelnen Brocken wieder zusammenzusetzen.

Das entbehrt keinesfalls des Reizes. Allerdings stehen die architektonische Strenge und die Unentschiedenheit des Formats in einem verstörenden Widerspruch. »Hertz' Frequenzen« ist ein Stück für ein Auditorium, das bereit ist, sich einiges zuzumuten. Das Tesla, das diese Aufführung zum Auftakt seiner Herbstsaison erklärt, wählt nicht den einfachsten Weg, sein Publikum zu rekrutieren. Aber einfach machen es sich schließlich schon HAU und Sophiensäle. Da ist etwas Anstrengung in der dritten wichtigen Off-Spielstätte durchaus erlaubt.

Tom Mustroph