BRECHT INSTALLIEREN 1-3

Berliner Zeitung, 27.4.1998

Brechtzitate und Intendantengesichter
Eine Installation im BE

Was "Brecht installieren" heißt, kann man seit gestern und noch bis 11. Mai im Berliner Ensemble - jeweils eine Stunde vor der Aufführung - erleben. Gemeint ist nicht der überlebensgroße Brecht vor dem Theater. Zwanzig Fernsehmonitore sind in den Foyers verteilt. Auf jedem steht ein Verb, dahinter schaut ein Gesicht den Betrachter an.
Der Videoinstallateur Hans-Friedrich Bormann hat die Verben den Lehrstücken Brechts entnommen, die Monitore der Fa. Schaulandt und die Gesichter "individuellen Existenzen", das heißt Mitarbeitern des Berliner Ensembles. Letztere sitzen brav eine Stunde vor der Kamera, zwinkern gelegentlich, atmen durch. Mehr geschieht nicht.
Man versteht freilich nicht, was Intendant Suschke wohl hinter dem Verb "erreichen" denken mag, warum Dramaturg Teschke hinter "schenken" so unruhig in seinem Sessel rutscht oder die Frau hinter "sterben" so traurig schaut. Die Zuordnung zwischen Verben und Gesichtern ist austauschbar.
Vielleicht hatte Jean Baudrillard recht, als er (in "Videowelt und fraktales Subjekt") meinte, die Großaufnahme eines Gesichts sei "ebenso obszön wie ein von nahe beobachtetes Geschlechtsteil". Vielleicht würde Brecht auf zwanzig Monitoren die Fussball-WM in die Foyers übertragen lassen. Vielleicht reicht auch die einfache Erkenntnis: Diese Gesichter des BE - sie lächeln nicht.

(mf.)