BRAUN light

Beschreibung

BRAUN light ist der abschließende vierte Teil der Projektreihe CHANCES | CHANCEN, die sich mit Geistergeschichten der Medien beschäftigt. In dieser Reihe rücken jene vermeintlich abwegigen und zufallsbestimmten Aspekte medialer Phänomene in den Blick, die vergessen oder verschwiegen wurden, und zwar gerade im Namen des technischen Fortschritts, dem sie seit je vorausgingen und den sie überhaupt ermöglichten.

Ende des 19. Jahrhunderts gelingt dem Physiker Ferdinand Braun die bahnbrechende Entwicklung einer sogenannten Kathodenstrahlröhre, mit der es möglich wird, die Bewegung von Lichtpunkten magnetisch zu steuern und aus den gesteuerten Lichtpunkten Bilder zu generieren. Zwar findet sich die Braunsche Röhre - mit ihr wurden nicht nur sowohl große medizinische Fortschritte wie modernste Kriegsführung möglich, sondern sie prägt seit Mitte des 20. Jahrhunderts durch ihre massenmediale Verwendung im Fernseher auch weltweit die Kultur - derzeit noch in vielen Computermonitoren und Fernsehgeräten. Aber ihr Ende scheint mit der Entwicklung neuer bildgebender Verfahren klar vorgezeichnet, und damit auch das Ende ihrer spezifischen lichtgebenden Qualität - jenseits der Bildproduktion.

An dieser Stelle hakt BRAUN light ein: Unter Einbeziehung von Heiner Müllers Bildbeschreibung, die sich nicht zuletzt als ein grundlegender Text zum Theater angesichts des Verhältnisses von Bildproduktion und Wirklichkeit lesen läßt, schafft die Performance eine Situation, in der das "Verlöschen" der Braunschen Röhre selbst als Wirklichkeit - und deren Verlust - erfahrbar wird. Das Projekt thematisiert das prekäre Verhältnis von Bildproduktion, Wirklichkeit und Licht, das Heiner Müller in seinem Diktum vom "Verlöschen der Welt in den Bildern" pointiert beschrieben hat.

Umgeben von einer Videoprojektion aus bildelektronisch bearbeitetem TV-Trash und einem rauschenden Fernsehlichtraum, der vor allem aus einer Vielzahl internationaler Testbilder entstanden ist, die in zufälligen Rhythmen über 20 uneinsehbare Monitore flimmern, ist in der Villa Elisabeth eine raumgreifende Installation aus Holz, feinstem Kupfergeflecht und dünnem Kupferblech aufgebaut, die zwei Sprechern einen abgeschirmten Ort für die zweiteilige Performance von Heiner Müllers Bildbeschreibung bietet. Währenddessen spielt das Trio Nexus inmitten einer flächigen, bisweilen stark-bewegtgen und oft geräuschhaften 6-kanaligen Klanginstallation - sie wurde durch vielmalige klangelektronische Transformationen weniger (argentinischer) Fernseh-O-Töne unter zusätzlicher Verwendung von Sinus-Testtönen entwickelt - die 33-minütige Klangkomposition rgb von Jörg Laue, die aus den Pixeln des mutmaßlich ersten Videostills der Fernsehgeschichte eigens für das Projekt entstanden ist.

Ein im Kupferraum installiertes Oszilloskop verzeichnet auf einer kleinen Braunschen Röhre in leuchtend grünen Wellen sämtliche akustischen Bewegungen des Abends, der mit dem halbstündigen Konzert von Morton Feldmans programmatischer Komposition Why Patterns? nach langen dunklen Phasen in gleißendem Licht leise ausklingt.