23 summerdays
Beschreibung
Wir müssen das zusammentragen, was sich in einem zerstreuten Zustand befindet. Sobald wir es versuchen, werden wir erkennen, daß schon alles zusammenpaßt. Die Dinge werden schon unabhängig von uns zusammengetragen; das einzige, was wir getan haben, war, sie zu trennen. (John Cage)
John Cages zehnter Todestag und sein neunzigster Geburtstag fielen in den Sommer des Jahres 2002 und markierten – etwa zufällig? – eine 23-tägige Zeitklammer. Während dieser Zeit hat die LOSE COMBO in Radio, Fernsehen und Internet, auf Reisen, Ausflügen, Parties u.s.w. umfangreiches Bild- und Tonmaterial gesammelt, aus dem in einem vielschichtigen Transformationsprozeß 23 summerdays entstanden ist: eine Verkettung visueller und akustischer Zufälle für John Cage.
Umgeben von einer labyrinthischen Installation aus schallschluckender Steinwolle sitzen die 23 Musiker des ENSEMBLE RESONANZ vereinzelt im großen ehemaligen Schaltersaal der Staatsbank, ohne einander zu sehen, und spielen zweimal Cages 23-minütige Zeit-klammern-Komposition Twenty-Three.
Zwei Performer spekulieren unterdessen darüber, was ein Badeausflug und eine Opernpremiere mit der Biographie John Cages zu tun haben könnten, und warum Zeitklammern (nicht) erst in der Erinnerung flexibel werden; sie erzählen von Cages legendärer Stinktierkohlvergiftung, halten einen Videovortrag über seine fiktive Schachpartie mit Marcel Duchamp, die in ein Kunstprojekt gemündet sein soll, oder kontrastieren das ruhige Konzert des Streicherensembles überraschend mit der alten Jazzballade What a Difference a Day Makes, bevor von Ferne ein tieftrauriger Satz aus einem späten Streichquartett von Beethoven zu hören ist.
Auf einem großen Block aus Steinwolle, der trotz seiner Massivität beinahe über dem Performance-Geschehen zu schweben scheint, sind von Zeit zu Zeit beidseitig projizierte Videosequenzen zu sehen, deren eigentümliche Tempi, rätselhafte Dimensionen und Proportionen nur ganz allmählich Erinnerungen an den vorjährigen Sommer zulassen: Die seither vergangene Zeit findet sich in den Bildern – etwa von verlassenen Strandkörben, einer Landschaft voller Strohballen, von Straßenfluchten oder Feldwegen – wieder.
Der Komposition John Cages gemäß, sind sämtliche Elemente des Abends – Video- und Tonbänder, Text- und Musikeinsätze – durch flexible Zeitklammern strukturiert. Deshalb wird in der Performance auch auf herkömmliches Theaterlicht verzichtet: Die verwendeten Gasentladungslampen folgen in Farbgestaltung und Helligkeitsverläufen ihren eigenen, je verschiedenen Zeitklammern, während ein raumgreifender Winkel aus kalt-weißen Leuchtstoffröhren die Architektur dezent nachzeichnet.