was/war

Berliner Zeitung, 15./16.11.1997

Die erhoffte Traurigkeit will nicht aufkommen
Die Lose Combo mit ihrer "was/war"-Performance im Theater am Halleschen Ufer

Wenn wenigstens die Musik schön wäre. Man könnte sich zurücklehnen, die Augen schließen und zuhören. Aber die Musik ist nicht schön. Oder wenn auf der Bühne etwas Interessantes geschähe. Aber es gibt nur ein diffuses Flimmern, projiziert auf einen Gazevorhang, der die Bühne in der Mitte teilt. Die Lose Combo zeigt im Theater am Halleschen Ufer, inszeniert, arrangiert und komponiert von Jörg Laue, "was/war".
Angekündigt war eine Klang-, Licht- und Videoinstallation, in der drei Musiker und ein Performer auftreten. Eine Performance, die, wie uns das Programmheft mitteilt, die Dezentralisierung künstlerischer Praxis zur Aufgabe hat. Eine unerfreuliche Angelegenheit, wie wir eineinviertel Stunde später wissen.
Dezentralisiert wird etwa Bach, dessen Invention Nr. 2 für Klavier einfach halb so schnell gespielt wird (ungefähr) und kaum mehr anzuhören ist. Dezentralisiert wird weiterhin ein Bericht über die Schlacht bei Philippi im Jahre 42 v. Chr. (die uns ganz brennend interessiert) den a) die Sprecherin Anja Bayer mit monoton-leieriger Stimme vorträgt und der b) statt vom Kriegsgeschehen von Mückenplagen handelt. Sehr originell.
Am Ende des Abends sollen wir traurig über die unmögliche Vergegenwärtigung von Geschichte sein. Und darin soll uns dann etwas aufscheinen. Tatsächlich ist uns etwas aufgeschienen, nämlich der Verdacht, daß Jörg Laue in zu jungen Jahren zuviel Virilio und zuviel Baudrillard gelesen hat, zeitgleich vielleicht noch Heiner Müller, und all dem Unverarbeiteten nun in Form von pathetisch-schwülstigen, intellektuell-verquasten, multimedialen Geraune einen Ausdruck zu geben versucht.

Michaela Schlagenwerth