inter/views (LAST/Trilogie 3)

Beschreibung

inter/views hat jene Geschichte der Metamorphosen Ovids zum Ausgangspunkt, die auf komplexe Weise einen folgenreichen Blick thematisiert: die Erzählung von Orpheus und Eurydike, in der ein flüchtiger, aber unerlaubter Augenblick tödlich endet. Dabei faßt inter/views nicht nur die sich widersprechenden Momente von Sturz und Erstarrung zusammen, sondern befragt zugleich den undenkbaren Augenblick zwischen Leben und Tod, der für Ovid die nachhaltigste Metamorphose darstellte. inter/views sucht nach den blinden Flecken der erzählten Geschichte; es geht um die Möglichkeit, die Dunkelheit zu sehen, um einen subtilen Voyeurismus, der selbst unsichtbar und verschwiegen bleibt.

Unter einer halbtransparenten Zwischenwelt aus Endlos-Vliesen - ein gespreizter Kubus, der die Lichtfluten projizierter Videobilder nachzeichnet -, spielt ein Klaviertrio unentwegt eine latentpolyphone Komposition zu elektronischen und radiophonen Klängen in einem Grund-Metrum von drei bpm. Nur der beinahe fünfzehnminütige Vortrag der letzten, nicht beendeten Fuge J.S. Bachs am Beginn der Performance sowie ein überraschendes Liebes-Duett mit Elvis ("Love Letters") durchkreuzen diesen Puls.

Eine Performerin, auf einem auf dem Kopf stehenden Aquarium balancierend, sucht in einem langen Monolog nach Anhaltspunkten dafür, daß Orpheus und Eurydike sich tatsächlich einmal in der Unterwelt begegnet wären. Eine Überwachungskamera verfolgt dabei jede kleinste ihrer Bewegungen und überträgt sie großflächig in den Vlies-Raum.
Aus der Tiefe des vielfach mit Vliesen gestaffelten Raums, der dem identifizierenden Blick der Zuschauer unzugänglich bleibt, zitieren zwei andere Performer aus dem fragmentarischen Briefwechsel des mythischen Liebespaars, sie berichten von Kafkas Unterwelt-Recherchen und anderen unerforschten Quellen des berühmten Mythos.

In inter/views ist die "Unterwelt" ein ständig flackernder, beinahe undurchdringlicher Bildraum aus fadem Neon-Licht, Video-Projektionen und verstecktem Fernsehflimmern. Nur einmal, wenn eine Wand aus grünem Laser-Licht in Zeitlupe durch diesem Raum stürzt, öffnet er sich für einige Minuten.