BLACK BOX BERLIN

Die Welt, 5.12.2000

Das Schweigen spricht laut

Armes Theater. So nannte Jerzy Grotowski die Beschränkung auf den Körper des Schauspielers als Ort des totalen Theaters. Ohne Bühnenbild und Technik, Musik und Requisiten. Mit Grotowski haben Jörg Laue und seine Lose Combo sicher nichts am Hut - und machen trotzdem ärmeres Theater, das man richtigerweise als multimediale Installationskunst bezeichnen muss. "Black Box Berlin" verzichtet nämlich auf den sichtbaren Darsteller. Im Theater am Halleschen Ufer hängt ein großer Kubus aus vorhangartig gerafftem Plastikstoff, um den das Publikum herumlaufen kann. Zwei Kameras projizieren mehrfach kopiertes Filmmaterial auf drei Seiten dieses dunklen Kastens - ein Antipode der feuerroten Infobox. Es gibt kein Drinnen, nur ein spärlich flackerndes, ruckelndes Außen, eine vage Ahnung nächtlicher Stadtansichten. Als führe man weinend und betrunken durch ein verregnetes Berlin. Aus der Black Box, dem Unterbewußten, tönen Stimmen und eine Viola. Sie fügen sich in die Collage aus Radioaufnahmen, dunklem Flirren, durch das gleich zu Beginn in wenigen Stichworten die Geschichte Alexanders des Großen erzählt wird. Und später noch einmal. Der Mythos spricht, verkürzt, per Telefon, aus dem Bauch der Stadt. Wie buchstäblich arm dieses Theater wirklich ist, erfährt man aus dem Programmzettel. Vor der Premiere wurden Zeit- und Raumelemente der Performance via Internet zum Kauf angeboten. Nur 26 von 100 Minuten wurden erworben - die Black Box blieb hermetisch, das Schweigen lauter als der Klang, die Botschaft unvollständig, aber voller Schwermut.

eb